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"Katastrophen im Gartenteich"
13. Kapitel



Überraschender Nachwuchs

    Drei, vier Wochen mochten ins Land gegangen sein. Vom Nachwuchs im Koi-Teich war nichts übrig geblieben. Plötzlich jedoch die Sensation: Im seichten Gewässer entdeckten wir ein Fischlein, das so etwa fünfzehn Millimeter lang war und eindeutig kein Moderlieschen sein konnte. Und zwar deswegen nicht, weil es deutlich einen hellen Leib mit einem dunklen Fleck und obendrein einen schwarzen Schwanz hatte.

    Was nun? Den Prachtkerl den gefräßigen Großen überlassen? Auf gar keinen Fall! In aller Aufregung bedachten wir nicht, dass der Kleine ja schon bislang erfolgreich allen Feinden ausgewichen sein musste. Wir trachteten nur, ihn sofort zu retten. Und machten einen dummen Fehler.

    Zwar war bald ein Gurkenglas vorbereitet, aber den Kleinen da hinein zu kriegen, war überhaupt nicht geübt. Ihn mit dem Netz zu fangen, war ein Kinderspiel. Ihn dann aber auch ins Glas zu bekommen, ging in unserer Aufregung kläglich schief. Das heißt, der kleine Kerl fiel statt ins Glas daneben ins Gras und musste mühsam wieder aufgesammelt werden. Als wir ihn endlich drin hatten, taumelte er und sank zu Boden. Von wo er sich nicht wieder erhob.

    Verzweifelt standen wir davor und verfluchten unser Missgeschick. Im Nachhinein war einfach nicht zu begreifen, wieso wir es nicht geschafft hatten, das kostbare Stück ordentlich in das Glas zu geben. Das durfte uns nicht noch einmal widerfahren! Aber vorerst war da keine Not. Ein weiteres Exemplar, das unsere Fürsorge bedurft hätte, sichteten wir nicht.

    Aber selbstverständlich sondierten wir ab nun jeden Tag aufmerksam alle Teile des Koi-Teiches. Irgendwie konnte es eigentlich nicht sein, dass von einem Wurf nur ein Exemplar überlebt hatte. Und richtig! Eines Tages entdeckten wir noch solch einen Winzling, immerhin schon so zwanzig Millimeter lang. Wie er bis dahin überlebt hatte, vor allem, wo er sich aufgehalten hatte, wird ein Rätsel bleiben. Er war jedenfalls da und musste ab sofort gerettet werden!! Ihn einzufangen gelang ohne Mühe, ihn richtig ins Glas zu befördern mit Mühe.

    Endlich konnten wir ihn von allen Seiten bewundern. Zweifellos: Er war ein Schönling! Rote und schwarze Flecke, gut verteilt, zierten seinen Leib. Mein Sohn nannte ihn spontan "Moritz", wogegen nichts einzuwenden war. Obwohl ich immer wieder verglich, um zu entscheiden, ob da nun ein Koi oder ein Shubunkin schwamm, gelang es mir nicht, zu einem Urteil zu kommen. Mal dachte ich, der Schwanz sei so ausladend wie bei Shubunkin, dann wieder wurde ich unsicher. Aber wir hatten den Wicht jetzt dingfest und gut im Auge. Es konnte also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich seine Art genau bestimmen ließ.

    Zunächst schien sich der kleine Fisch im Glas wohl zu fühlen. Er schwamm normal flott und nahm nach einiger Zeit kleine Brösel Futter an. Wenn man so will, kann man sogar sagen, er begriff relativ schnell, dass das Zeug, das zuweilen auf der Wasseroberfläche schwamm, leckeres Futter war. Im Ergebnis wuchs er heran, ohne dass ich freilich bei der Art-Bestimmung weiter voran gekommen wäre.

    Als er eines Morgens verdächtig oft nach Luft schnappte, wurden wir unruhig. Es war ohnehin schon lange klar gewesen, dass der Kleine nicht ewig im Glas bleiben konnte. So entschieden wir, ihn in den Moderlieschen-Teich auszusetzen. Dort bestand nicht die Wahrscheinlichkeit, von räuberischen Fischen gefressen zu werden. Eine andere böse Gefahr unterschätzten wir allerdings völlig. Am Ufer des Moderlieschen-Teiches saßen nämlich seit einiger Zeit nachmittags recht gemütlich zwei, drei kapitale Teich-Frösche in der Sonne. Wir hatten keinerlei Idee, die behäbigen Gesellen könnten unserem munteren Schönling gefährlich werden.

    Der Kleine fühlte sich in seinem neuen Element offenbar so wohl, dass er nach nur kurzer Zeit der Eingewöhnung meist regelrecht zum Schaulaufen unterwegs war. Das gefiel uns selbstverständlich sehr. Denn wir bewunderten unseren Zögling aus eigenem Stall. Er sah wirklich prächtig aus. Wobei mir nun, da er wieder im Teich schwamm, seine Bestimmung erst recht schwer fiel. Ich glaubte zuletzt, wegen des schönen Schwanzes, es sei ein Shubunkin. Allerletzte Gewissheit sollten wir allerdings nie erlangen.

    Das Schauschwimmen des Schönlings muss nämlich auch den Fröschen aufgefallen sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich einer der gefräßigen und immer hungrigen Ungeheuer lebhaft interessierte. Ich habe schon bei früherer Gelegenheit beschrieben, wie Teichfrösche Beute zu machen pflegen. In diesem besonderen Falle ist nur meine Frau Zeugin. Mit hundertprozentiger Gewissheit kann sie ihre Beobachtung zwar nicht vertreten, aber sie schwört Stein und Bein, gesehen zu haben, wie ein Teich-Frosch blitzartig in Richtung Schönling sprang und dann abtauchte. Ob er ihn bei der Gelegenheit gefressen hat, konnte sie ganz genau nicht sehen. Aber es sprach alles dafür; denn seit diesem Sprung war der Schönling verschwunden!

    Welch echte Katastrophe! Wieder einmal standen wir Tag für Tag ratlos vor einem unserer Gewässer, starrten suchend hinein und hofften, es würde ein Wunder geschehen und der kleine Fisch wieder auftauchen. Die Hoffnung war insofern nicht ganz und gar unberechtigt, weil es zuweilen schon mal vorkam, dass sich ein Fisch tagelang einfach nicht blicken ließ und dann ganz selbstverständlich wieder zwischen den übrigen herumschwamm. Aber Schönling "Moritz" tat uns den Gefallen nicht. Er blieb verschwunden.

    Was sich nun ereignete, klingt fast märchenhaft. Es geschah nämlich wirklich fast so etwas wie ein kleines Wunder, wenngleich alles ganz natürlich zugegangen sein muss. Wir entdeckten "Moritz II"! Und zwar im Frosch-Pool. Dorthin hatten wir ja damals einige Winzlinge verpflanzt und uns nicht mehr um sie gekümmert. Denkbar war allerdings auch, dass es "Moritz II" vom Koi-Teich oben nach unten in den Frosch-Pool gespült hatte. Zuweilen ließ ich ja frisches Wasser zulaufen. Da hatte er zwar irgendwie den Goldfisch-Teich passieren müssen, aber warum sollte nicht ein lustiger Zufall im Spiel gewesen sein! Jedenfalls schwamm er eines Tages da unten im Frosch-Pool herum.

    Wieder einmal packte uns ein seltsames Fieber. An sich hätte alles dafür gesprochen, den Kleinen in seiner Pfütze zu belassen. Schließlich war er da im Stillen so schön herangewachsen, dass er uns nun mit seinen zwei, drei Zentimetern Länge auffiel. Aber das war, hol's der Teufel, genau die mundgerechte Größe für Frösche! Wir hatten unsere bittere Erfahrung. Es blieb, so schien uns, keine Wahl. Wir mussten den kleinen Kerl schützen! Zumindest bis er so weit gewachsen sein würde, dass er den Fröschen als Beute nicht mehr geraten schien.     Hätten wir ihn doch wenigstens in einen anderen Teich gegeben! Aber auf die Lösung verfielen wir erst gar nicht, weil ja die Frösche mittlerweile an allen Rändern zu hocken pflegten. Solch kleiner Fisch schien uns nirgends sicher. Außer in einem Gefängnis in unserer Stube. Also wurde er heraus gefangen und in einem Gurkenglas untergebracht.

    Dort begann nun schon fast manisch wieder das aussichtslose Spiel herauszubekommen, ob unsere Koi oder die Shubunkin als Eltern geführt werden mussten. Bei den Koi hatte es übrigens inzwischen Zuwachs gegeben, das heißt, wir hatten einen neuen "Silberpfeil" herangeschafft. Er war nicht so schön silbern wie sein Vorgänger, aber wir fanden uns damit ab. Das ursprüngliche Sortiment in unserem Koi-Teich war also in etwa wieder komplett.

    Die bewegende Frage war, welche Art von Fisch nun im Gurkenglas heranwuchs. Ich kam mit der Bestimmung nicht voran. Gewiss war nur, weil eindeutig zu sehen, dass er farblich nicht so kräftig geraten war wie sein verstorbener Vorgänger. Ihn zeichnete eine gewisse Blässe aus. Aber er war immerhin ein Produkt aus eigenem Teich! Umso schmerzlicher, dass er ohne jegliche Vorankündigung von uns ging.

    Eines Morgens lag er tot im Glas. Wir vermochten uns nicht einmal recht Vorwürfe zu machen, weil wir auch jetzt noch glaubten, alles getan zu haben, ihn über die Runden zu bringen. Er hatte nicht begonnen, an der Wasseroberfläche immer wieder einmal nach Luft zu schnappen, was als Signal zu werten gewesen wäre. Wir hatten ohne Zweifel für ausreichend frisches Wasser und auch für genügend Futter gesorgt.

    Ein unaufgeklärter Fall also, der nicht gerade Laune machte, Fische zu halten. Sie verursachten, recht betrachtet, einfach zu viel Kummer. Wobei allerdings offen gesagt werden muss, dass wir mittlerweile den einzelnen Verlust nicht mehr ganz so tragisch nahmen.



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