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„Katastrophen im Gartenteich“

3. Kapitel

 

 

 

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Kummer mit Moderlieschen

 

Als die Trauer um unsere Rotfeder abgeklungen war, begannen wir, neue Pläne zu schmieden. Irgendwie fehlte etwas in unserem Teich. Schließlich hatten wir ihn nicht als Frosch-Pool angelegt. Durch den plötzlichen Besitz von Rotfeder hatten wir gar nicht das machen können, was unser Wunsch gewesen war: Ein paar kleine Fische hineinzusetzen, die vielleicht sogar Nachwuchs produzieren würden. Ob dies Fröschen genehm sein würde, wussten wir nicht, wollten wir aber ausprobieren.

 

Als wir unternehmungslustig das Garten-Center aufsuchten, um unseren Traum zu verwirklichen, erlebten wir erst einmal eine herbe Enttäuschung. Es gab noch gar keine Fische! Für ein Aquarium schon, aber nicht für die freie Natur. Man vertröstete uns auf Mitte Mai. Auch andere Fisch-Handlungen, bei denen wir telefonisch nachfragten, hatten noch nichts im Angebot. Wir wurden angesehen wie Leute, die offenbar keinerlei Ahnung haben. Was ja zutraf. Aber man lernt halt nie aus!

 

Jede Woche riefen wir an. Endlich wurde uns Bescheid, dass Moderlieschen eingetroffen seien. Für diese kleinen Fische hatten wir uns entschieden. Die würden, fanden wir, zumindest von der Größe her, gut in unseren Frosch-Pool passen. Auch waren sie, was das Futter betraf, relativ anspruchslos. Schließlich hielten wir uns – außer im Sommer – in der Regel nur zum Wochenende auf unserem Grundstück auf, würden also nicht jeden Tag füttern können.

 

Wir hatten zwar irgendwann und irgendwo einmal Fotos von Moderlieschen gesehen, aber als wir nun im Garten-Center vor dem Aquarium standen, in dem sie sich tummelten, schienen sie uns denn doch arg unscheinbar. Diese dünnen, kaum sieben Zentimeter langen silbrigen Fische würden ja von oben kaum zu sehen sein, denn ihr Rücken, das ließ sich erkennen, war nüchtern grau gefärbt. Und zwischen Männlein und Weiblein war offenbar auch kein Unterschied. Ratlos standen wir und überlegten.

 

         Der Verkäufer, dem wir unsere Bedenken gestanden, empfahl Stichlinge oder Bitterlinge. Alle anderen Fische wie Koi oder Goldorfen würden letztlich größer wachsen und außerdem erst in der kommenden Woche eintreffen. Die Stichlinge und auch die Bitterlinge, fanden nun wir, sahen kaum anders aus als die Moderlieschen. Da wir ausgesprochene Zierfische nicht wollten, vor allem aber auf gar keinen Fall ohne Fische die Handlung verlassen, fiel die Entscheidung schließlich für Moderlieschen. Zumal der Händler versprach, uns zwei Weibchen und ein Männchen einzufangen. Das war übrigens das erste und zugleich letzte Mal, dass sich ein Händler für fähig erklärte, weil es ja sein Beruf sei, die Fisch-Geschlechter unterscheiden zu können.

 

         Die kostbare Fuhre in einem Plastikbeutel, sorgfältig mit Sauerstoff gefüllt, mussten wir zunächst nach Berlin-Pankow transportieren, wo wir damals noch wohnten. Dort wurde sie in der Küche abgestellt, und wir beobachteten, wie die völlig konfusen, scheuen Fische sich alle Mühe gaben, sich irgendwie zu verstecken. Sie waren regelrecht in Panik. Hoffentlich würden sie durchhalten. Noch hatten sie ein paar Stunden auszuharren. Wir verfrachteten sie in eine undurchsichtige Tasche, damit sie, auf diese Weise abgeschirmt, etwas Ruhe finden konnten.

 

Auf dem Grundstück angekommen, wurden die Fische in die Freiheit entlassen. Später lernten wir, dass man Neulinge noch in ihrem Beutel geraume Zeit in das Wasser legen soll, in das man sie geben will, damit sich die Wassertemperaturen angleichen. Auch soll man zunächst etwas von dem neuen Wasser in den Beutel gießen, damit eine Gewöhnung stattfinden kann. So viel Sorgfalt ließen wir nicht walten. Kurz entschlossen wurde mit einer Schere der Gummiknoten durchgeschnitten, und die Fische ins Wasser ausgekippt. Damit waren sie für diesen Tag verschwunden.

 

Dass aus der Besichtigung nichts wurde, hing auch damit zusammen, dass sich das Wasser im Becken ärgerlich grün gefärbt hatte. Eine Erscheinung im Frühjahr und im Sommer, die uns noch manchen Ärger machen würde. Jetzt standen wir ratlos davor und gaben es auf, unsere drei Fische so schnell wieder zu Gesicht zu bekommen. In ihrer panischen Angst waren sie gewiss tief nach unten abgetaucht und hatten keinerlei Lust, an die Oberfläche zu kommen. Nur dort hätten wir sie sehen können.

 

Ein bisschen Trost fanden wir dadurch, dass sich unerwartet ein Frosch-Winzling vom Vorjahr blicken ließ. Übereinstimmend stellten wir fest, dass er ein bisschen gewachsen, also nicht mehr nur daumengroß war. Aber er würde kräftig futtern müssen, um unsere volle Anerkennung zu finden. Andererseits war seine Größe eine gewisse Garantie dafür, dass er unsere drei Moderlieschen in Ruhe lassen würde. Denn so genau stand in keinem Buch, ob die Frösche nicht doch, einfach weil ihnen der Magen knurrt, auch mal nach einem Fisch schnappen. Bei unserer Rotfeder hatten wir da keine Sorge gehabt. Sie war selbst für einen ausgewachsenen Frosch zu groß gewesen. Aber ein Moderlieschen? Bahnte sich neuer Kummer an? Das Elend war, dass wir uns nicht ständig an den Teich hocken konnten.

 

Welche Genugtuung denn also, dass eine Woche später nicht nur das Wasser etwas durchsichtiger geworden war, sondern sich sogar alle Fische blicken ließen. Natürlich setzte sich die Familie um den Teich herum und studierte, wie die Drei so ihren Tag bewältigten.

 

Zunächst einmal schwammen sie offenbar sehr gern in kleiner Gruppe, sich oft irgendwie herauslösend, als wolle jeder seiner Wege gehen, aber immer wieder zusammenfindend. Das war von echter Harmonie und Grazie. Man konnte ewig zugucken. Sobald man sich unbedacht rührte, gar eine heftige Bewegung machte, übertrug sich das sofort ins Wasser. Wie elektrisiert verschwanden die Moderlieschen flugs unter der Pflanze. Und es brauchte seine Zeit, bis sie darunter hervorkamen. Wenn sie dann wieder ihre kleinen Runden zogen, denn mehr Platz hatten sie nicht, machte es Spaß zuzuschauen. Es entspannte.

 

Einige Wochen waren vergangen, und die drei Fische bereits etwas aus der besonderen Aufmerksamkeit geraten, als es eine Sensation gab. Im Wasser tummelten sich etliche winzig kleine Fische! Wohl kaum sechs Millimeter groß. Aber welch Tragödie! Als wir uns ans Wasser gesetzt hatten, um das kleine Wunder möglichst genau bestaunen zu können, machten wir eine schlimme Beobachtung. Die Eltern der Minis schwammen munter zwischen ihren Kindern herum und schnappten sich, was sie kriegen konnten. Das durfte doch nicht wahr sein! Diese Banausen fraßen ihren eigenen Nachwuchs! Was war zu tun? Keine Ahnung. Hätten wir irgendein Ersatzbecken gehabt, hätten wir versucht, wenigstens ein paar Winzlinge herauszufischen. Jetzt blieb keine andere Wahl, als den Dingen ihren Lauf zu lassen.

 

Eine Woche später war die große Frage, ob von dem Nachwuchs etwas übrig geblieben sein würde. Tatsächlich, so ein gutes Dutzend unmerklich gewachsener Mini-Lieschen hatte sich behauptet. Sie schwammen in Gruppe und machten um ihre Eltern meist einen gehörigen Bogen. Aber in dem kleinen Teich war das gar nicht so leicht. Allerdings, schien uns, hatten sich die drei Erwachsenen mit der Anwesenheit von Neulingen abgefunden. Jedenfalls sah es nicht so aus, als würden sie nach ihnen schnappen.

 

Dafür gab es eine andere Überraschung. Weil wir hatten wissen wollen, wie es den jungen Fischen ergangen war, hatten wir gar nicht auf das Ufer unseres Teiches geschaut und so übersehen, dass sich dort inzwischen ein kapitaler Teichfrosch angesiedelt hatte. Und der sprang plötzlich ins Wasser. Wir schreckten regelrecht auf. Uns schien, er sei zielgerichtet in den kleinen Fischschwarm gesprungen, um sich zu bedienen. Aber genau hatten wir es nicht gesehen. Nun machte er kehrt und kraxelte ans Ufer zurück. Dort hockte er sich geruhsam wieder hin, als sei nichts geschehen.

 

Teichfrösche, wenn sie eine ansehnliche Beute gemacht haben, verdrehen meist die Augen genüsslich und mampfen irgendwie mit dem Maul. Manchmal sieht man deutlich, wie der ganze Leib mit der Verarbeitung der Nahrung befasst ist. Aber diese Erfahrung hatten wir damals noch nicht. Also konnten wir nicht klären, ob der Frosch sich einen Fisch geschnappt hatte. Später fanden wir heraus, dass Frösche durchaus und sehr gezielt hin zu dem springen, was sich auf der Wasseroberfläche bewegt. Sobald sich aber eine mögliche Beute ein wenig tiefer befindet, springen Frösche in der Regel nicht.

 

Bis in den Herbst hatten wir unsere Freude an den Moderlieschen. Gelegentlich brachten wir ihnen eine Portion lebende Wasserflöhe mit, und sie bedankten sich mit regem Zuspruch. Ansonsten mussten sie selber sehen, wie sie über die Runden kamen. Freilich hatten wir zunehmend Sorge wegen des bevorstehenden Winters. Was sollten wir tun? Unsere Pfütze war nicht tief genug, wenn es sehr kalt werden würde. Andererseits, hatte man uns gesagt, seien die Moderlieschen recht widerstandsfähig. Sie könnten unter Umständen mit einem kleinen Rest Wasser unterm Eis wohlerhalten über den Winter kommen. Darauf setzten wir schließlich unsere Hoffnung.

 

Aber Winter fallen eben unterschiedlich streng aus. Schon Ende November gab es Frost, und der hielt an. Die stetig zunehmende Eisdecke versuchte ich mehrmals irgendwie zu durchbohren, um wenigstens ein Luftloch zu machen. Anfangs gelang das, und stets quoll das Wasser in kleiner Fontäne heraus, ein Zeichen dafür, dass im Teich ein ziemlich hoher Druck sein musste. Aber dann reichte einfach meine primitive Technik nicht mehr aus. Ich kam nicht mehr durch das Eis. Außerdem lagen zu allem Überfluss gut zwanzig Zentimeter Schnee darauf.

 

Als endlich Tauwetter aufkam, nutzten wir die erste Gelegenheit, nach unseren Fischen zu sehen. Der Schnee war geschmolzen, aber das Eis noch fest. Doch wir sahen schon das Unheil. Unterm glasigen Eis schimmerten gut ein Dutzend silbrige Fischleins. Querliegend. Tot. Noch hofften wir, dass wenigstens ein paar Moderlieschen den Winter überlebt hatten.

 

Nachdem alles Eis geschmolzen war, standen wir bekümmert vor dem Debakel. Wir trösteten uns mit der Ausrede, dass es nur kleine, unbedeutende Fische gewesen waren. Als wir schließlich doch noch etwa ein halbes Dutzend Moderlieschen lebend ausfindig machten, war das nur ein schwacher Trost. Es ließ sich einfach nicht leugnen, dass wir schuldig waren am Tod der Mehrzahl der Fische. Abzuhelfen war solcher Katastrophe nur durch einen tieferen Teich! Doch vorerst gab es dafür keine müde Mark; denn alles Geld, das wir besaßen, investierten wir in ein kleines Haus.

 

 

 

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