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Tiere in der Poesie


Der Sperling

"Sehen Sie, Waldemar, die Sperlinge. Meine Passion! Jedes Alter hat seine Passionen, und die Sperlinge repräsentieren am Ende nicht die schlimmste. Hübsch freilich sind meine Freunde drüben nicht, und auch nicht wählerisch, eigentlich in nichts; im Gegenteil, immer frère cochon, aber auch immer amüsant, und das ist für mich das Entscheidende. Denn die meisten Tiere - wiederum ganz nach höherer Analogie - sind herzlich langweilig, darunter selbst solche, die für bevorzugt gelten, und fast möcht ich sagen, den Vortritt haben. Nehmen Sie beispielsweise den Hahn. Er denkt sich wunder was und ist doch eigentlich nur ein Geck. Außer dem Amte, das ihm obliegt, und über das ich in so früher Stunde nicht gern sprechen möchte, was tut er sonst noch, das der Rede wert wäre? Nichts. Er hält sommers von drei Uhr ab seine Dienststunden. Aber das ist mir zu wenig. Und nun vergleichen Sie damit den Sperling. Immer guter Laune, gesprächig, fidel. Überall guckt er rein, alles will er wissen, alles will er haben - die reinen Preußen in der Weltgeschichte der Vögel..."

Theodor Fontane



Die Fliege

Es flog einmal ein muntres Fliegel
zu einem vollen Honigtiegel.
Da tunkt es mit Zufriedenheit
den Rüssel in die Süßigkeit.
Nachdem es dann genug geschleckt,
hat es die Flügleien ausgereckt
und möchte sich nach oben schwingen.
Allein das Bein im Honigseim
sitzt fest als wie in Vogelleim.
Nun fängt das Fliegel an zu singen:
Ach, lieber Himmel, mach mich frei
aus dieser süßen Sklaverei!

Ein Freund von mir, der dieses sah,
der seufzte tief und rief. Ja ja!

Wilhelm Busch

Der Fuchs

Es saß ein Fuchs im Walde tief.
Da schrieb ihm der Bauer einen Brief:
So und so, und er sollte nur kommen,
's wär alles verziehn, was übelgenommen.
Der Hahn, die Hühner und Gänse ließen
ihn alle zusammen auch vielmals grüßen.
Und wann ihn denn erwarten sollte
sein guter, treuer Krischan Bolte.
Drauf schrieb der Fuchs mit Gänseblut:
Kann nicht gut.
Meine Alte mal wieder
gekommen nieder!
Im übrigen von ganzer Seele
dein Fuchs in der Höhle.

Wilhelm Busch

Der Igel

Ganz unverhofft, an einem Hügel,
sind sich begegnet Fuchs und Igel.

Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündet,
und weißt du nicht, dass jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät
geh her und übergib dein Fell.

Der Igel sprach: Nur nicht so schnell.
Lass dir erst deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns weiter sprechen!

Und allsogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.

Wilhelm Busch

Die Schnecken

Rötlich dämmert es im Westen,
und der laute Tag verklingt,
nur dass auf den höchsten Ästen
lieblich noch die Drossel singt.

Jetzt in dichtbelaubten Hecken,
wo es still verborgen blieb,
rüstet sich das Volk der Schnecken
für den nächtlichen Betrieb.

Tastend streckt sich ihr Gehörne.
Schwach nur ist das Augenlicht.
Dennoch schon aus weiter Ferne
wittern sie ihr Leibgericht.

Schleimig, säumig, aber stete,
immer auf dem nächsten Pfad,
finden sie die Gartenbeete
mit dem schönsten Kopfsalat.

Hier vereint zu ernsten Dingen,
bis zum Morgensonnenschein,
nagen sie geheim und dringen
tief ins grüne Herz hinein.

Darum braucht die Köchin Jettchen
dieses Kraut nie ohne Arg.
Sorgsam prüft sie jedes Blättchen,
ob sich nichts darin verbarg.

Sie hat Furcht, den Zorn zu wecken
ihres lieben gnäd'gen Herrn.
Kopfsalat, vermischt mit Schnecken,
mag der alte Kerl nicht gern.

Wilhelm Busch

Die Meise

Auguste, wie fast jede Nichte,
weiß wenig von Naturgeschichte.
Zu bilden sie in diesem Fache,
ist für den Onkel Ehrensache.

Auguste, sprach er, glaub es mir,
die Meise ist ein nettes Tier.
Gar zierlich ist ihr Leibesbau,
auch ist sie schwarz, weiß, gelb und blau.
Hell flötet sie und klettert munter
am Strauch kopfüber und kopfunter.
Das härtste Korn verschmäht sie nicht,
sie hämmert, bis die Schale bricht.
Mohnköpfchen bohrt sie mit Verstand
ein Löchlein in den Unterrand,
weil dann die Sämerei gelind
von selbst in ihren Schnabel rinnt.
Nicht immer liebt man Fastenspeisen,
der Grundsatz gilt auch für die Meisen.
Sie gucken scharf in alle Ritzen,
wo fette Käferlarven sitzen,
und fangen sonst noch Myriaden
Insekten, die dem Menschen schaden,
und hieran siehst du außerdem,
wie weise das Natursystem. -
So zeigt er, wie die Sache lag.

Es war kurz vor Martinitag.
Wer dann vernünftig ist und kann's
sich leisten, kauft sich eine Gans.

Auch an des Onkels Außengiebel
hing eine solche, die nicht übel,
um, nackt im Freien aufgehangen,
die rechte Reife zu erlangen.
Auf diesen Braten freute sich
der Onkel sehr und namentlich
vor allem auf die braune Haut,
obgleich er sie nur schwer verdaut.

Martini kam, doch kein Arom
von Braten spürt der gute Ohm.
Satt dessen trat voll Ungestüm
die Nichte ein und zeigte ihm
die Gans, die kaum noch Gans zu nennen,
ein Scheusal, nicht zum Wiederkennen,
zernagt beinah bis auf die Knochen.
Kein Zweifel war, wer dies verbrochen,
denn deutlich lehrt der Augenschein,
es konnten nur die Meisen sein.
Also ade, du braune Kruste.

Ja, lieber Onkel, sprach Auguste,
die gern, nach weiblicher Manier,
bei einem Irrtum ihn ertappt:
Die Meise ist ein nettes Tier.
Da hast du wieder recht gehabt.

Wilhelm Busch

Fliegentod

Sie saugt mit Gier verrätrisches Getränke
Unabgesetzt, vom ersten Zug verführt;
Sie fühlt sich wohl, und längst sind die Gelenke
Der zarten Beinchen schon paralysiert;
Nicht mehr gewandt, die Flügelchen zu putzen,
Nicht mehr geschickt, das Köpfchen aufzustutzen -
Das Leben so sich im Genuß verliert.
Zum Stehen kaum wird noch das Füßchen taugen;
So schlürft sie fort und mitten unterm Saugen
Umnebelt ihr der Tod die tausend Augen.

Goethe

Fuchs und Kranich

Zwei Personen, ganz verschieden,
Luden sich bei mir zu Tafel,
Diesmal lebten sie in Frieden,
Fuchs und Kranich, sagt die Fabel.

Beiden macht ich was zurechte,
Rupfte gleich die jüngsten Tauben;
Weil er von Schakals Geschlechte,
Legt' ich bei geschwollne Trauben.

Langgehälstes Glasgefäße
Setzt' ich ungesäumt dagegen,
Wo sich klar im Elemente
Gold- und Silberfischlein regen.

Hättet ihr den Fuchs gesehen
Auf der flachen Schüssel hausen,
Neidisch müßtet ihr gestehen:
Welch ein Appetit zum Schmausen!

Wenn der Vogel, ganz bedächtig,
Sich auf einem Fuße wiegte,
Hals und Schnabel, zart und schmächtig,
Zierlich nach den Fischlein schmiegte.

Dankend freuten sie beim Wandern
Sich der Tauben, sich der Fischchen;
Jeder spottete des andern,
Als genährt am Katzentischchen.

Willst nicht Salz und Schmalz verlieren,
Mußt, gemäß den Urgeschichten,
Wenn die Leute willst gastieren,
Dich nach Schnauz' und Schnabel richten.

Goethe

Ein Wiesel

Ein Wiesel sass auf einem Kiesel
Inmitten Bachgeriesel.
Wisst ihr weshalb?

Das Mondkalb verriet es mir im Stillen:
Das raffinierte Tier
tat's um des Reimes willen.

Christian Morgenstern

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.

Joachim Ringelnatz

Ringelnatter

»Nein,« schimpfte die Ringelnatter, »die Mode
Von heutzutage, die wurmt mich zu Tode.
Jetzt soll man täglich, sage und schreibe,
Zweimal die Wäsche wechseln am Leibe.
Und immer schlimmer wird's mit den Jahren.
Es ist rein um aus der Haut zu fahren!«
So schimpfte die Ringelnatter laut,
Und wirklich fuhr sie aus der Haut.

Der Vorfall war nicht ohne Bedeutung,
Denn zoologisch nennt man das Häutung.

Joachim Ringelnatz

Der kluge Kranich

Ich bin mal so, sprach Förster Knast,
die Flunkerei ist mir verhaßt,
doch sieht man oft was Sonderbares.

Im Frühling vor fünf Jahren war es,
als ich stockstill, den Hahn gespannt,
bei Mondschein vor dem Walde stand.
Da läßt sich plötzlich flügelsausend
ein Kranichheer, wohl an die tausend,
ganz dicht zu meinen Füßen nieder.
Sie kamen aus Ägypten wieder
und dachten auf der Reise nun
sich hier ein Stündchen auszuruhn.

Ich selbstverständlich, schlau und sacht,
gab sehr genau auf alles acht.

Du, Hans, so rief der Oberkranich,
hast jetzt die Wache, drum ermahn ich
dich ernstlich, halt dich stramm und paß
gehörig auf, sonst gibt es was.

Bald schlief ein jeder ein und sägte.
Hans aber stand und überlegte.

Er nahm sich einen Kieselstein,
erhob ihn mit dem rechten Bein
und hielt sich auf dem linken nur
in Gleichgewicht und Positur.

Der arme Kerl war schecklich müd.
Erst fiel das linke Augenlid.
Das rechte blinzelt zwar noch schwach,
dann aber folgt's dem andern nach.
Er schnarcht sogar. Ich denke schon:
Wie wird es dir ergehn, mein Sohn?
So denk ich, doch im Augenblick,
als ich es dachte, geht es klick!
Der Stein fiel Hänschen auf die Zeh,
das weckt ihn auf, er schreit au weh!

Er schaut sich um, hat mich gewittert,
pfeift, dass es Mark und Bein erschüttert,
und allsogleich im Winkelflug
entschwebt der ganze Heereszug.

Ich rief hurra! und schwang den Hut,
Der Vogel der gefiel mir gut.
Er lebt auch noch. Schon oft seither
sah man ihn fern am Schwarzen Meer
auf einem Bein auf Posten stehn.

Dies schreibt mein Freund, der Kapitän,
und was er sagt, ist ohne Frage
so wahr, als was ich selber sage.

Wilhelm Busch

Die Biene

Als Amor in den goldnen Zeiten,
Verliebt in Schäferlustbarkeiten,
Auf bunten Blumenfeldern lief,
Da stach den kleinsten von den Göttern,
Ein Bienchen, das in Rosenblättern,
Wo es sonst Honig holte, schlief.

Durch diesen Stich ward Amor klüger.
Der unerschöpfliche Betrüger
Sann einer neuen Kriegslist nach:
Er lauscht' in Rosen und Violen;
Und kam ein Mädchen sie zu holen,
Flog er als Bien' heraus und stach.

Lessing

Die Ente

Ente, wahres Bild von mir,
Wahres Bild von meinen Brüdern!
Ente, jetzo schenk' ich dir
Auch ein Lied von meinen Liedern.

Oft und oft muss dich der Neid
Zechend auf dem Teiche sehen.
Oft sieht er aus Trunkenheit
Taumelnd dich in Pfützen gehen.

Auch ein Tier - - o das ist viel!
Hält den Satz für wahr und süße,
Daß, wer glücklich leben will,
Fein das Trinken lieben müsse.

Ente, ist's nicht die Natur,
Die dich stets zum Teiche treibet?
Ja, sie ist's; drum folg' ihr nur,
Trinke, bis nichts übrig bleibet.

Ja, du trinkst und singst dazu.
Neider nennen es zwar schnadern;
Aber, Ente, ich und du
Wollen nicht um Worte hadern.

Wem mein Singen nicht gefällt,
Mag es immer Schnadern nennen.
Will uns nur die neid'sche Welt
Als versuchte Trinker kennen.

Aber, wie bedaur' ich dich,
daß du nur mußt Wasser trinken.
Und wie glücklich schätz' ich mich,
Wenn mir Weine dafür blinken.

Armes Tier, ergib dich drein.
Laß dich nicht den Neid verführen.
Denn des Weins Gebrauch allein
Unterscheidet uns von Tieren.

In der Welt muß Ordnung sein.
Menschen sind von edlern Gaben.
Du trinkst Wasser, und ich Wein;
So will es die Ordnung haben.

Lessing

Beruf des Storchs

Der Storch, der sich von Frosch und Wurm
An unserm Teiche nähret,
Was nistet er auf dem Kirchentum,
Wo er nicht hingehöret?

Dort klappt und klappert er genung,
verdrießlich anzuhören;
Doch wagt es weder alt noch jung,
Ihm in das Nest zu stören.

Wodurch - gesagt mit Reverenz -
Kann er sein Recht beweisen?
Als durch die löbliche Tendenz,
Aufs Kirchendach zu .......?

Goethe

Fink und Frosch

Auf leichten Schwingen frei und flink
zum Lindenwipfel flog der Fink
und sang an dieser hohen Stelle
sein Morgenlied so glockenhelle.

Ein Frosch, ein dicker, der im Grase
am Boden hockt, erhob die Nase,
strich selbstgefällig seinen Bauch
und denkt: Die Künste kann ich auch.

Alsbald am rauhen Stamm der Linde
begann er, wenn auch nicht geschwinde,
doch mit Erfolg, emporzusteigen,
bis er zuletzt von Zweig zu Zweigen,
wobei er freilich etwas keucht,
den höchsten Wipfelpunkt erreicht
und hier sein allerschönstes Quaken
ertönen läßt aus vollen Backen.

Der Fink, dem dieser Wettgesang
nicht recht gefällt, entfloh und schwang
sich auf das steile Kirchendach.

Wart, rief der Frosch, ich komme nach.
Und richtig ist er fortgeflogen,
das heißt, nach unten hin im Bogen,
so daß er schnell und ohne Säumen,
nach mehr als zwanzig Purzelbäumen,
zur Erde kam mit lautem Quak,
nicht ohne großes Unbehagen.

Er fiel zum Glück auf seinen Magen,
den dicken weichen Futtersack,
sonst hätt er sicher sich verletzt.

Heil ihm! Er hat es durchgesetzt.

Wilhelm Busch

Grille und Nachtigall

Ich versichre dich, sagte die Grille zu der Nachtigall, daß es meinem Gesange gar nicht an Bewundrern fehlt. - Nenne sie mir doch, sprach die Nachigall. - Die arbeitsamen Schnitter, versetzte die Grille, hören mich mit vielem Vergnügen, und daß dieses die nützlichsten Leute in der menschlichen Republik sind, das wirst du doch nicht leugnen wollen?
Das will ich nicht leugnen, sagte die Nachtigall; aber deswegen darfst du auf ihren Beifall nicht stolz sein. Ehrlichen Leuten, die alle ihre Gedanken bei der Arbeit haben, müssen ja wohl die feinern Empfindungen fehlen. Bilde dir also ja nichts eher auf dein Lied ein, als bis ihm der sorglose Schäfer, der selbst auf seiner Flöte sehr lieblich spielt, mit stillem Entzücken lauschet.

Lessing

Die Wespen

Fäulnis und Verwesung zerstörten das stolze Gebäu eines kriegerischen Rosses, das unter seinem kühnen Reiter erschossen worden. Die Ruinen des einen braucht die allzeit wirksame Natur, zu dem Leben des andern. Und so floh auch ein Schwarm junger Wespen aus dem beschmeißten Aase hervor. O, riefen die Wespen, was für eines göttlichen Ursprungs sind wir! Das prächtige Roß, der Liebling Neptuns, ist unser Erzeuger!
Diese seltsame Prahlerei hörte der aufmerksame Fabeldichter, und dachte an die heutigen Italiener, die sich nichts Geringeres als Abkömmlinge der alten unsterblichen Römer zu sein einbilden, weil sie auf ihren Gräbern geboren worden.

Lessing

Die Sperlinge

Eine alte Kirche, welche den Sperlingen unzählige Nester gab, ward ausgebessert. Als sie nun in ihrem neuen Glanze da stand, kamen die Sperlinge wieder, ihre alten Wohnungen zu suchen. Allein sie fanden sie alle vermauert. Zu was, schrieen sie, taugt denn nun das große Gebäude? Kommt, verlaßt den unbrauchbaren Steinhaufen!

Lessing



Die Frösche

Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken und springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum,
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.

Goethe

Die Mitternachtsmaus

Wen's mitternächtigt und nicht Mond
noch Stern das Himmelshaus bewohnt,
läuft zwölfmal durch das Himmelshaus
die Mitternachtsmaus.

Sie pfeift auf ihrem kleinen Maul,
Im Traume brüllt der Höllengaul
Doch ruhig läuft ihr Pensum aus
die Mitternachtsmaus.

Ihr Herr, der große weiße Geist,
ist nämlich solche Nacht verreist.
Wohl ihm! Es hütet ihm sein Haus
die Mitternachtsmaus.

Christian Morgenstern

Libelle

Es flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Mich freut sie lange schon;
Bald dunkel und bald helle,
Wie das Chamäleon.

Bald rot, bald blau,
Bald blau, bald grün.
O daß ich in der Nähe
Doch ihre Farben sähe!

Sie schwirrt und schwebet,
rastet nie!
Doch still, sie setzt sich an die Weiden.
Da hab ich sie! Da hab ich sie!

Und nun betracht ich sie genau,
Und seh ein traurig dunkles Blau
So geht es dir,
Zergliedrer deiner Freuden!

Goethe

Zitronenfalter im April

Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muss ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.

Eduard Mörike

Kleine Meisen

Sieben kleine Meisen
saßen auf dem Ast.

Sieben kleine Meisen
hielten kurze Rast.

Sieben kleine Meisen
gaben sich Bericht,

Sieben kleine Meisen.
Ich verstand sie nicht.

Sieben kleine Meisen
flogen wieder fort

in die blaue Weite.
Und ich blieb am Ort.

Liebe sieben Meisen
kommt doch wieder her,

liebe sieben Meisen
und erzählt mir mehr!

Matthias Claudius

Der Kuckuck

Der Kuckuck sprach mit einem Star,
der aus der Stadt entflohen war.
„Was spricht man“, fing er an zu schrein,
„was spricht man in der Stadt von unsern Melodein?
Was spricht man von der Nachtigall?“
„Die ganze Stadt lobt ihre Lieder.“
„Und von der Lerche?“ rief er wieder.
„Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall.“
„Und von der Amsel?“ fuhr er fort.
„Auch diese lobt man hier und dort.“
„Ich muß dich doch noch etwas fragen“:
„Was“, rief er, „spricht man denn von mir,“
„Das“, sprach der Star, „das weiß ich nicht zu sagen;
denn keine Seele red’t von dir.“
„So will ich“, fuhr er fort,
„mich an dem Undank rächen
und ewig von mir selber sprechen.

Christian Fürchtegott Gellert

Sperling und Strauß

Sei auf deine Größe, auf deine Stärke so stolz als du willst: sprach der Sperling zu dem Strauße; ich bin doch mehr ein Vogel als du. Denn du kannst nicht fliegen; ich aber fliege, obgleich nicht hoch, obgleich nur ruckweise.
Der leichte Dichter eines fröhlichen Trinkliedes, eines kleinen verliebten Gesanges, ist mehr ein Genie, als der schwunglose Schreiber einer langen Hermanniade.

Lessing

Fuchs und Storch

Erzähle mir doch etwas von den fremden Ländern, die du alle gesehen hast, sagte der Fuchs zu dem weitgereisten Storche.
Hierauf fing der Storch an, ihm jede Lache, und jede feuchte Wiese zu nennen, wo er die schmackhaftesten Würmer, und die fettesten Frösche geschmauset.
Sie sind lange in Paris gewesen, mein Herr. Wo speiset man da am besten? Was für Weine haben Sie da am meisten nach Ihrem Geschmacke gefunden?

Lessing

Die junge Schwalbe

Was macht ihr da? fragte eine Schwalbe die geschäftigen Ameisen. Wir sammeln Vorrat auf den Winter; war die geschwinde Antwort.
Das ist klug, sagte die Schwalbe; das will ich auch tun. Und sogleich fing sie an, eine Menge toter Spinnen nd Fliegen in ihr Nest zu tragen.
Aber wozu soll das? fragte endlich ihre Mutter. "Wozu? Vorrat auf den bösen Winter, liebe Mutter; sammle doch auch! Die Ameisen haben mich diese Vorsicht gelehrt."
O laß den irdischen Ameisen diese kleine Klugheit, versetzte die Alte; was sich für sie schickt, schickt sich nicht für bessere Schwalben. Uns hat die gütige Natur ein holderes Schicksal bestimmt. Wenn der reiche Sommer sich endet, ziehen wir von hinnen; auf dieser Reise entschlafen wir allgemach, und da empfangen uns warme Sümpfe, wo wir ohne Bedürfnisse rasten, bis uns ein neuer Frühling zu einem neuen Leben erweckt.

Lessing

Pfauen und Krähe

Eine stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen Federn der farbigsten Pfaue, und mischte sich kühn, als sie genug geschmückt zu sein glaubte, unter diese glänzende Vögel der Juno. Sie ward erkannt, und schnell fielen die Pfaue mit scharfen Schnäbeln auf sie, ihr den betrügerischen Putz auszureißen.
Lasset nach! schrie sie endlich; ihr habt nun alle das Eurige wieder. Doch die Pfaue, welche einige von den eignen glänzenden Schwingfedern der Krähe bemerkt hatten, versetzten: Schweig, armselige Närrin; auch diese können nicht dein sein! - und hackte weiter.

Lessing

Nachtigall und Lerche

Was soll man zu den Dichtern sagen, die so gern ihren Flug weit über alle Fassung des größten Teiles ihrer Leser nehmen? Was sonst, als was die Nachtigall einst zu der Lerche sagte: Schwingst du dich, Freundin, nur darum so hoch, um nicht gehört zu werden?

Lessing

Der Spatz

Ich bin ein armer Schreiber nur,
hab weder Haus noch Acker,
doch freut mich jede Kreatur,
sogar der Spatz, der Racker.

Er baut von Federn, Haar und Stroh
sein Nest geschwind und flüchtig,
er denkt, die Sache geht schon so,
die Schönheit ist nicht wichtig.

Wenn man den Hühnern Futter streut,
gleich mengt er sich dazwischen,
um schlau und voller Rührigkeit
sein Körnlein zu erwischen.

Maikäfer liebt er ungemein,
er weiß sie zu behandeln;
er hackt die Flügel, zwackt das Bein
und knackt sie auf wie Mandeln.

Im Kirschenbaum frißt er verschmitzt
das Fleisch der Beeren gerne;
dann hat, wer diesen Baum besitzt,
nachher die schönsten Kerne.

Es fällt ein Schuß. Der Spatz entfleucht
und ordnet sein Gefieder.
Für heute bleibt er weg vielleicht,
doch morgen kommt er wieder.

Und ist es Winterzeit und hat's
geschneit auf alle Dächer,
verhungern tut kein rechter Spatz,
er kennt im Dach die Löcher.

Ich rief: Spatz komm, ich füttre dich!
Er faßt mich scharf ins Auge.
Er scheint zu glauben, daß auch ich
im Grunde nicht viel tauge.

Wilhelm Busch

Die Nachtigall

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Kind;
Nun geht sie tief in Sinnen,
trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Theodor Storm

Spatz und Schwalben

Es grünte allenthalben.
Der Frühling wurde wach.
Bald flogen auch die Schwalben
hell zwitschernd um das Dach.

Sie sangen unermüdlich
und bauten außerdem
am Giebel rund und niedlich
ihr Nest aus feuchtem Lehm.

Und als sie eine Woche
sich redlich abgequält,
hat nur am Eingangsloche
ein Stückchen noch gefehlt.

Da nahm der Spatz, der Schlingel,
die Wohnung in Besitz.
Jetzt hängt ein Strohgeklüngel
hervor aus ihrem Schlitz.

Nicht schön ist dies Gebaren
und wenig ehrenwert
von einem, der seit Jahren
mit Menschen viel verkehrt.

Wilhelm Busch



Der weise Schuhu

Der Schuhu hörte stets mit Ruh,
wenn zwei sich disputierten, zu.

Mal stritten sich der Storch und Rabe,
Was Gott der Herr zuerst erschaffen habe,

Ob erst den Vogel oder erst das Ei.
"Den Vogel!" - schrie der Storch
"Das ist doch klar wie Brei!"

Der Rabe krächzt: "Das Ei, wobei ich bleibe;
wer's nicht begreift, hat kein Gehirn im Leibe!"

Da fingen an zu quaken
Zwei Frösch in grünen Jacken.

Der eine quakt: "Der Storch hat recht!
"Der zweite quakt: "Der Rab hat recht!"

"Was?" schrien die beiden Disputaxe
"Was ist denn das für ein Gequakse?"

Der Streit erlosch.
Ein jeder nimmt sich einen Frosch,

Der schmeckt ihm gar nicht schlecht.
Ja, denkt der Schuhu, so bin ich!
Der Weise schweigt und räuspert sich!

Wilhelm Busch

Die drei Spatzen

In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Hans hat's niemand nicht.

Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Christian Morgenstern

Ein Fischlein

Ein Fischlein steht am kühlen Grund,
Durchsichtig fließen die Wogen,
Und senkrecht ob ihm hat sein Rund
Ein schwebender Falk gezogen.

Der ist so lerchenklein zu sehn
Zuhöchst im Himmelsdome;
Er sieht das Fischlein ruhig stehn,
Glänzend im tiefen Strome!

Und dieses auch hinwieder sieht
Ins Blaue durch seine Welle.
Ich glaube gar, das Sehnen zieht
Eins an des andern Stelle!

Gottfried Keller

Ein Maulwurf

Die laute Welt und ihr Ergötzen,
als eine störende Erscheinung,
vermag der Weise nicht zu schätzen.

Ein Maulwurf war der gleichen Meinung.
Er fand an Lärm kein Wohlgefallen,
zog sich zurück in kühle Hallen
und ging daselbst in seinem Fach
stillfleißig den Geschäften nach.

Zwar sehen konnt er da kein bissel,
indessen sein getreuer Rüssel,
ein Nervensitz voll Zartgefühl,
führt sicher zum erwünschten Ziel.

Als Nahrung hat er sich erlesen
die Leckerbissen der Chinesen,
den Regenwurm und Engerling,
wovon er vielfach fette fing.

Die Folge war, was ja kein Wunder,
sein Bäuchlein wurde täglich runder,
und wie das häufig so der Brauch,
der Stolz wuchs mit dem Bauche auch.

Wohl ist er stattlich von Person
und kleidet sich wie ein Baron,
nur schad, ihn und sein Sammetkleid
sah niemand in der Dunkelheit.

So trieb ihn denn der Höhensinn,
von unten her nach oben hin,
zehn Zoll hoch, oder gar noch mehr,
zu seines Namens Ruhm und Ehr
gewölbte Tempel zu entwerfen,
um denen draußen einzuschärfen,
daß innerhalb noch einer wohne,
der etwas kann, was nicht so ohne.

Mit Baulichkeiten ist es mißlich.
Ob man sie schätzt, ist ungewißlich.

Ein Mensch von andrem Kunstgeschmacke,
ein Gärtner, kam mit einer Hacke.

Durch kurzen Hieb nach langer Lauer
zieht er ans Licht den Tempelbauer
und haut so derb ihn übers Ohr,
daß er den Lebensgeist verlor.

Da liegt er nun, der stolze Mann.
Wer tut die letzte Ehr ihm an?

Drei Käfer, schwarz und gelb gefleckt,
die haben ihn mit Sand bedeckt.

Wilhelm Busch

Möwenlied

Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.

Ich schieße keine Möwe tot,
Ich laß sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.

O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.

Christian Morgenstern

Der Schmetterling

Der Schmetterling ist in die Rose verliebt,
Umflattert sie tausendmal,
Ihn selber aber, goldig zart,
Umflattert der liebende Sonnenstrahl.

Jedoch, in wen ist die Rose verliebt?
Das wüßt ich gar zu gern.
Ist es die singende Nachtigall?
Ist es der schweigende Abendstern?

Ich weiß nicht, in wen die Rose verliebt;
Ich aber lieb euch all:
Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl,
Abendstern und Nachtigall.

Heinrich Heine

Die Mücken

Dich freut die warme Sonne.
Du lebst im Monat Mai.
in deiner Regentonne
da rührt sich allerlei.

Viele kleine Tierlein steigen
bald auf-, bald niederwärts,
und, was besonders eigen,
sie atmen mit dem Sterz.

Noch sind sie ohne Tücken,
rein kindlich ist ihr Sinn.
Bald aber sind sie Mücken
und fliegen frei dahin.

Sie fliegen auf und nieder
im Abendsonnenglanz
und singen feine Lieder
bei ihrem Hochzeitstanz.

Du gehst zu Bett um zehne,
du hast zu schlafen vor,
dann hörst du jene Töne
ganz dicht an deinem Ohr.

Drückst du auch in die Kissen
dein wertes Angesicht,
dich wird zu finden wissen
der Rüssel, welcher sticht.

Merkst du, daß er dich impfe,
so reib mit Salmiak
und dreh dich um und schimpfe
auf dieses Mückenpack.

Wilhelm Busch